Ein Glas Wein gegen Demenz – das klingt zweifelhaft. Doch eine aktuelle Studie kommt zu diesem Ergebnis. Danach scheint der tägliche Konsum geringer Mengen von Alkohol das Demenzrisiko zu senken – selbst wenn bereits erste kognitive Einschränkungen vorliegen.

Wie entsteht eine Demenz? Welche Einflussfaktoren begünstigen ihre Entwicklung, welche hemmen sie? Angesichts des starken Anstiegs von Demenzerkrankungen liegt ein Fokus der Forschung auf dem Lebensstil der Menschen. So wird auch der Einflussfaktor „Alkohol“ in den Blick genommen.

Ein Glas Rotwein

Ein Team von Gesundheits-Wissenschaftlern der Harvard T. H. Chan School in Boston untersuchte nun in einer Studie die Assoziation von Alkoholkonsum mit der Inzidenz von Demenz und kognitivem Abbau in einer US-amerikanischen Population. Die Fragestellung lautete, ob der Konsum von Alkohol bei älteren Menschen mit oder ohne MCI (Mild Cognitive Impairment) mit dem Risiko einer Demenz und kognitivem Abbau in Verbindung steht.

Primäres Ziel der Studie war es, einen Nutzen von Ginkgo biloba mit Placebo zu vergleichen. Teilgenommen hatten 3069 Menschen im Alter von durchschnittlich 78 Jahren. Bei etwa 16 Prozent waren erste kognitive Defizite (MCI) erkennbar, die übrigen Teilnehmer waren kognitiv unauffällig. Im Mittel nahmen die Probanden sechs Jahre an der Studie teil. Währenddessen entwickelten 277 im Ginkgo- und 246 im Placeboarm eine Demenzerkrankung – die Demenzrate wurde durch Ginkgo also nicht verringert.

Probanden gaben Alkoholkonsum pro Woche an

Das Team der Chan School wertete nun den Datensatz retrospektiv mit Blick auf die Assoziation von Alkoholkonsum mit der Demenzinzidenz aus. Der Konsum wurde über Fragebögen zu Beginn der Studie ermittelt. Die Probanden mussten angeben, wie viel Bier, Wein oder andere alkoholische Getränke sie pro Woche konsumieren. Diese Angaben wurden in Standarddrinks umgerechnet. Eine Dose Bier (350 ml) oder ein Glas Wein (180 ml) entsprachen dabei etwa 14 Gramm reinem Ethanol.

Die Studienteilnehmer wurden in fünf Gruppen eingeteilt: 42 Prozent waren Abstinenzler, 15 Prozent tranken fast nichts (weniger als einen Drink pro Woche), 23 Prozent konsumierten 1 bis 7 Drinks pro Woche, 10 Prozent tranken sieben bis 14 Drinks und ebenfalls 10 Prozent mehr als 14 Drinks. Als Vergleich wählte das Forscherteam Teilnehmer mit sehr geringem Konsum (unter 1 Drink pro Woche).

Geringste Demenzrate bei Probanden mit moderatem Konsum

Unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Begleitfaktoren wie Alter, Geschlecht, Ausbildung, Komorbiditäten und Medikamentenverordnungen kamen die Wissenschaftler zu folgendem Ergebnis: Die Demenzrate war bei den Probanden mit moderatem Alkoholkonsum (sieben bis 14 Drinks pro Woche) am geringsten. Ihr Demenzrisiko war um 37 Prozent geringer als bei denjenigen, die sehr wenig Alkohol tranken.

Bei Probanden mit MCI zeigte sich ein ähnlicher Trend: So war die Demenzrate in der Gruppe mit ein bis sieben Drinks pro Woche am geringsten (minus 10 Prozent) und bei moderatem Konsum noch etwas erniedrigt (minus sieben Prozent). In der Gruppe mit dem höchsten Alkoholkonsum war die Demenzinzidenz dagegen deutlich erhöht (plus 72 Prozent). Verglichen wurde wiederum mit Teilnehmern, die sehr wenig oder gar nichts tranken. 

Statistisch belastbar ist die Studie nicht, da die Teilnehmerzahl und somit die Ereignisrate gering war und die Informationen zum Alkoholkonsum auf Selbstauskünften beruhen. Dennoch zeigte sich der bereits aus anderen Studien bekannte Zusammenhang zwischen geringem bis moderatem Alkoholkonsum und reduziertem Demenzrisiko.

Die vollständige Studie ist hier zu finden:
https://jamanetwork.com/journals/jamanetworkopen/fullarticle/2752097