Wie Schmerzen bei Menschen mit Demenz erkannt und behandelt werden, hängt auch davon ab, wo und von wem sie versorgt werden. Können gezielte Maßnahmen für Pflegekräfte und Ärzt*innen den Umgang mit den Beschwerden der Betroffenen verbessern? Diese Frage steht im Mittelpunkt einer Übersichtsarbeit von australischen Forscher*innen.
Für das Personal in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern bedeute das Erkennen und Behandeln von Schmerzen bei Menschen mit Demenz eine große Herausforderung, betonen Yvette I-Pei Tasi von der University Newcastle und ihre Kolleg*innen. Zum einen können Betroffene aufgrund ihrer nachlassenden Fähigkeiten mitunter nicht mehr auf Schmerzen aufmerksam machen. Zum anderen können sich die geistigen Beeinträchtigungen der Person und bestimmte verhaltensbezogene Symptome einer Demenz, etwa Umherwandern, Depression oder Aggression, mit dem Erleben von Schmerzen überschneiden.
Umgebung und geistige Beeinträchtigung beeinflussen Schmerzbehandlung
Laut früheren Studien würden Fachkräfte unterschiedlich mit Schmerzen umgehen, je nachdem, ob es sich bei den Betroffenen um Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen oder um geistig gesunde Personen handele. Auch die Art der Pflege-Umgebung spiele eine Rolle. Danach erhielten Menschen mit Demenz, die im Krankenhaus behandelt wurden, weniger Opioid-Schmerzmittel als ihre Altersgenossen ohne Demenz. Zudem warteten sie in Notaufnahmen länger auf die Verabreichung von Schmerzmitteln.
Zu den Verfahren, die für den Umgang mit Schmerzen bei Menschen mit Demenz entwickelt wurden, zählen Behandlungen mit Schmerzmitteln, elektrische Nervenstimulation, Massagen, Musik- und Bewegungstherapien, therapeutische Roboter sowie neue Technologien zur Schmerzerfassung.
Gezielte Strategien für Fachkräfte untersucht
Wie lassen sich diese Verfahren am besten anwenden? Hier kommen gezielte Maßnahmen für die Fachkräfte ins Spiel. Den Autor*innen zufolge sind sie entscheidend für die Verbesserung des Umgangs mit Schmerzen in der Demenzpflege. Ziel ihrer aktuellen Übersichtsarbeit war es daher, praktische Einblicke in Maßnahmen für Gesundheitspersonal zum Umgang mit dem komplexen Problem der Schmerzen in der Demenzpflege zu geben.
Sechs Studien wurden ausgewertet
Dafür suchten die Forscher*innen nach Studien, die folgende vier Kriterien erfüllen sollten:
1) Bei den Teilnehmenden handelte es sich um Menschen ab einem Alter von 65 Jahren, die an Demenz erkrankt waren.
2) Die Studie untersuchte Maßnahmen, die für Gesundheitspersonal entwickelt worden waren, um den Umgang mit Schmerzen bei Demenz zu verbessern.
3) Es gab eine Vergleichsgruppe, die eine Standardversorgung erhielt.
4) Im Ergebnis wurden die Auswirkungen der Maßnahme auf das Gesundheitspersonal und die Menschen mit Demenz gemessen.
Sechs Studien, die zwischen 2014 und 2018 veröffentlicht wurden, erfüllten diese Kriterien. Fünf wurden in Pflegeeinrichtungen durchgeführt, eine in einem Krankenhaus. An den einzelnen Studien hatten zwischen 112 und 602 Personen teilgenommen. Bei den untersuchten Maßnahmen handelte es sich größtenteils um Schulungen oder Workshops für Pflegekräfte oder andere Gesundheitsfachkräfte. Die Dauer reichte von einem 6-stündigen Training bis zu einem 4-monatigen Schulungsprogramm.
Umfassende Schmerzmodelle statt einzelner Bewertungs-Hilfen
Die Forscher*innen fanden heraus, dass einzelne Schmerzbewertungs-Hilfen, die routinemäßig eingesetzt wurden, keine Auswirkungen auf den Umgang des Pflegepersonals mit Schmerzmitteln für Demenz-Betroffene hatten. Anders verhielt es sich mit umfassenden Schmerzprotokoll-Modellen, die sich aus verschiedenen Maßnahmen zusammensetzen und an denen Fachkräfte aus verschiedenen Berufsgruppen beteiligt waren. Solche Modelle schienen die Schmerzbeurteilung und -behandlung in der Demenzpflege zu verbessern.
Beteiligung von Ärzt*innen spielt eine Rolle
Allerdings zeigten sich hier Unterschiede, je nachdem, ob Schmerzen durch Medikamente oder nicht-pharmakologisch behandelt wurden. Ein Faktor dabei ist die Beteiligung von Ärzt*innen: Die Studie, die sich auf die Verschreibung von Schmerzmitteln durch Ärzt*innen konzentrierte, fand eine deutliche Verbesserung der Schmerzwerte der Patient*innen. Maßnahmen, die nur Pflegekräfte und andere Gesundheitsfachkräfte einbezogen, zeigten keine Auswirkungen auf den Umgang mit Schmerzmitteln, aber einen positiven Effekt auf das nicht-pharmakologische Schmerz-Management.
Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Berufsgruppen notwendig
Insgesamt rufen die Autor*innen zu einem ausgewogenen Einsatz von Schmerzmitteln und nicht-pharmakologischen Maßnahmen auf. Trotz des Nutzens könne eine medikamentöse Schmerzbehandlung unerwünschte Wirkungen auslösen. Daher scheine die nicht-pharmakologische Therapie eine sicherere Option zu sein.
Die Autor*inne sehen in ihren Ergebnissen einen Beleg für die Notwendigkeit, bereichsübergreifendes Gesundheitspersonal einzubeziehen, um den Umgang mit Schmerzen in der Demenzpflege zu verbessern.
Hier finden Sie die Studie:
The effectiveness of interventions to improve pain assessment and management in people living with dementia: A systematic review and meta-analyse (Nov 2020)