Wenn jemand ein Familienmitglied pflegt und gleichzeitig noch voll im Beruf steht, kostet das viel Kraft. Diese Doppelbelastung wirkt sich noch stärker aus, wenn es sich bei den Pflegebedürftigen um Menschen mit Demenz handelt. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung aus Kanada.
Die Studie von Joel Sadavoy und seinen Kolleg*innen bezieht sich dabei auf pflegende Angehörige, die in Vollzeit erwerbstätig sind. Diesen falle es häufig schwer, ihre Arbeit und die Pflegeaufgaben in Einklang zu bringen. Die bisherige Forschung zeigt, dass sie emotional und psychisch stärker belastet sind und auch mehr Fehlstunden aufweisen als ihre Kolleg*innen. Auch finanzielle Sorgen und soziale Isolation spielen eine Rolle.
Höherer Zeitaufwand, stärkere psychische Belastung
In ihrer aktuellen Arbeit wollten die Autor*innen herausfinden, wie groß die Belastung speziell für berufstätige pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz ist. Denn die Versorgung von Demenz-Betroffenen sei besonders herausfordernd und unterscheide sich hinsichtlich der körperlichen, psychologischen, finanziellen und sozialen Auswirkungen von der anderer Erkrankter. Zum einen müssten die Angehörigen häufig mehr Zeit für die Pflege aufwenden. Zum anderen seien sie durch Verhaltens-Veränderungen, die durch die Demenzerkrankung hervorgerufen werden, psychisch oft stärker belastet: “Pflegende Angehörige stehen dieser chronischen, nicht behandelbaren und unaufhaltsam fortschreitenden Krankheit hilflos gegenüber”, so die Autor*innen. Gleichzeitig könnten sie mit der Entwicklung von Trauergefühlen konfrontiert sein, die oft über Jahre oder sogar Jahrzehnte anhalten.
Forscher*innen verglichen drei Gruppen miteinander
Ist diese Personengruppe also stärker belastet als berufstätige Angehörige, die ein Familienmitglied ohne Demenz pflegen? Um das herauszufinden, werteten die Autor*innen die Angaben von 1.839 Personen aus, die zwischen März 2015 und April 2016 an einer Online-Befragung teilgenommen hatten. Alle Befragten waren pflegende Angehörige und zugleich in Vollzeit erwerbsstätig. Gut ein Drittel betreute ein Familienmitglied mit Demenz. Diese Gruppe wurde noch in zwei Unter-Gruppen aufgeteilt, je nachdem, ob die Beanspruchung und der Pflegebedarf aufgrund der Demenz niedrig oder mittel bis hoch waren. Somit verglichen die Forscher*innen insgesamt drei Gruppen miteinander.
Eine Gruppe war besonders stark beansprucht
Die Ergebnisse machen deutlich, dass berufstätige pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz mit mittlerem bis hohem Pflegebedarf deutlich stärker belastet sind als diejenigen aus den anderen beiden Gruppen. Dabei zeigten sich große Unterschiede zum Beispiel in Bezug auf erlebten Stress, depressive Verstimmung, Selbstwirksamkeit und dem Gefühl der Kontrolle über das eigene Leben sowie verpasste Arzttermine. Zudem musste diese Gruppe mehr Zeit und Energie für die verschiedenen Pflegeaufgaben aufwenden und hatte größere Schwierigkeiten damit, geeignete Informationen und Unterstützung zu finden. In Bezug auf die Arbeit kam es bei den pflegenden Angehörigen von Menschen mit Demenz mit mittlerem bis hohem Pflegebedarf deutlich häufiger zu Gefühlen der Überlastung, zu Rollenkonflikten und zu Fehlzeiten – obwohl sie in gleichem Umfang wie ihre Kolleg*innen beschäftigt sind. Anders ausgedrückt: Trotz der hohen Pflege-Belastung arbeiteten sie weiterhin genauso viele Stunden und in den gleichen Berufen wie die anderen.
Hilfestellung für Entscheidungsträger
Zwischen den anderen beiden Gruppen, den pflegenden Angehörigen von Menschen mit Demenz mit niedrigem Pflegebedarf und denen von Personen ohne die Erkrankung, fanden die Forscher*innen keine größeren Unterschiede.
Sie sehen die Ergebnisse ihrer Studie als Hilfestellung für politische Entscheidungsträger und Dienstleister, um die Unterstützung und die Angebote für die besonders belastete Gruppe der berufstätigen pflegenden Angehörigen zu verbessern, die Menschen mit Demenz mit mittlerem bis mittlerem Pflegebedarf versorgen.
Hier geht es zur Studie:
The impact on employees of providing informal caregiving for someone with dementia (Jan 2021)