Beeinträchtigungen des Hör- und Sehvermögens zählen zu den häufigsten Komorbiditäten von Menschen mit Demenz. Trotzdem gibt es noch zu wenig Wissen darüber, wie sich diese Einschränkungen gegenseitig bedingen und wie Expert*innen aus dem Gesundheitswesen am besten damit umgehen sollten. Das ist das Ergebnis einer internationalen Studie.
In der Zeitschrift Age and Ageing schreiben die britischen Forscher*innen von einer „erheblichen Lücke im Verständnis, in der Beurteilung von und im Umgang mit Menschen mit Demenz und gleichzeitigen Hör- und Sehbehinderungen.“ Angesichts des Häufigkeit der drei gleichzeitigen Einschränkungen bei älteren Menschen seien Profis aus den Bereichen Demenz (z.B. Geriatrie, Neurologie, Psychiatrie) sowie aus Augenoptik und Audiologie an genau den richtigen Stellen, um die sich überschneidenden Einschränkungen zu identifizieren. In ihrer Studie stellten die Autor*innen jedoch eine begrenzte Expertise der Fachleute im Hinblick auf die jeweiligen Komorbiditäten fest.
Klinische Erhebungsinstrumente häufig nur auf einen Bereich fokussiert
Ziel ihrer Studie war es daher, Wissenslücken über den Umgang mit den gleichzeitigen Einschränkungen aufzudecken, mögliche Lösungen zu finden und das Bewusstsein für die Problematik und die richtige, individuelle Unterstützung von Betroffenen zu schärfen. Dabei geht es auch um die Anpassung der aktuellen klinischen Erhebungsinstrumente, die größtenteils eben nur auf einen der drei Bereiche fokussiert sind. Den Autor*innen zufolge handelt es sich um die erste internationale Studie, die die Ansichten von Fachleuten über die Beurteilung und Behandlung von Menschen mit altersbedingten Hör-, Seh- und kognitiven Beeinträchtigungen untersucht.
Die Wissenschaftler*innen führten ihre Untersuchung in zwei Schritten durch: Zunächst bildeten sie eine internationale, interdisziplinäre Referenzgruppe mit akademischen und klinischen Expert*innen aus den betroffenen Disziplinen. Die Teilnehmenden stammten aus Europa und Nordamerika und befassten sich mit beispielhaften klinischen Fallstudien aus einem Gedächtniszentrum, einer audiologischen Klinik und einer Optometrie-Klinik. Anschließend folgte in einem zweiten Schritt eine anonyme Befragung von britischen Expert*innen aus den verschiedenen Bereichen.
Schlechte interdisziplinäre Kommunikation und unklare Versorgungswege
In ihrer Auswertung stellten die Forscher*innen zahlreiche Defizite in der Beurteilung von und der Leistungserbringung für Menschen mit Demenz und gleichzeitigen Hör- oder Sehbehinderungen fest. Die Ergebnisse der Experten-Referenzgruppe zeigten einen Mangel an validierten Erhebungsinstrumenten für gleichzeitige Einschränkungen, eine schlechte interdisziplinäre Kommunikation und unklare Versorgungswege sowie zu wenig evidenzbasierte Behandlungsmöglichkeiten. Einig waren sich die Fachleute über die Notwendigkeit flexibler, individualisierter, patientenzentrierter Lösungen mit interdisziplinärem Ansatz. Die Befragungsdaten stützten diese Ergebnisse und betonten darüber hinaus den Bedarf für klare Leitlinien sowie Schulungen zur Beurteilung und Behandlung von gleichzeitigen Einschränkungen.
Die Ergebnisse der Studie sollen nun in die Anpassung von Beurteilungsmethoden, die Entwicklung unterstützender Behandlungen und die Bereitstellung neuer Angebote einfließen.
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