Bildung, Ernährung, Bewegung, soziale Aktivitäten – durch einen gesunden Lebensstil lassen sich laut einem aktuellen Bericht  der Zeitschrift “The Lancet” rund 40 Prozent aller Demenz-Erkrankungen weltweit verhindern oder zumindest hinauszögern. Weltweit führende Demenz-Forscher*innen nennen darin zwölf konkrete Faktoren, durch die die Politik und jeder einzelne Mensch Einfluss nehmen kann.

Weltweit erkranken immer mehr Menschen an Demenz. Zurzeit sind es rund 50 Millionen., in Deutschland etwa 1,6 Millionen. Allerdings verläuft der Anstieg insbesondere in den Industrieländern nicht so stark wie noch vor einigen Jahren vorhergesagt. Eine Erklärung dafür sehen Fachleute darin, dass sich die sozialen und gesundheitlichen Bedingungen in diesen Ländern verbessert haben und viele Menschen mittlerweile gesünder leben als früher. Dafür trifft die Erkrankung dem aktuellen Bericht zufolge Entwicklungs- und Schwellenländer umso stärker, da bestimmte Risikofaktoren wie Bluthochdruck, geringe Bildung oder Fettleibigkeit hier häufiger vorkommen. In diesen Ländern könnte die Wirkung also am größten sein, wenn die genannten Faktoren berücksichtigt würden. 

Drei neue Faktoren in Liste aufgenommen

Frau und Mann beim Walken, von hinten.

Die Lancet-Expertenkommission hatte bereits in einem früheren Bericht aus dem Jahr 2017 neun veränderbare Risikofaktoren in unterschiedlichen Lebensphasen genannt: Bildung, Hörvermögen, Blutdruck, Körpergewicht, Rauchen, Depression, soziale und körperliche Aktivitäten sowie Diabetes. In den aktuellen Bericht wurden drei weitere Faktoren aufgenommen: Alkoholkonsum, die Luftqualität und Kopfverletzungen.

Die Demenz-Forscher um Professor Gill Livingston vom University College in London geben eine Reihe konkreter Empfehlungen ab, um Demenz-Erkrankungen vorzubeugen:

  • Bei Menschen ab einem Alter von 40 Jahren sollte der höhere, zuerst genannte Wert beim Blutdruck nicht über 130 mmHg steigen. Die Behandlung von Bluthochdruck sei bisher die einzig bekannte Möglichkeit, einer Demenz mit Medikamenten vorzubeugen.
  • Wer schlecht hört, sollte schon in mittleren Lebensjahren Hörgeräte tragen und generell übermäßige Lärmbelastung meiden.
  • Menschen sollten sich möglichst wenig Luftverschmutzung aussetzen und Tabakrauch in der Umgebungsluft meiden (Passivrauchen).
  • Menschen sollten ihren Kopf schützen, um das Risiko für Verletzungen zu mindern. Das gilt beispielsweise für Sportarten wie Boxen und Eishockey, aber auch für den Straßenverkehr.
  • Alkohol nur in Maßen. Exzessiver Alkoholkonsum steigert das Demenzrisiko.
  • Gar nicht erst mit dem Rauchen anfangen – oder möglichst bald wieder aufhören. Dies kann sich noch im späteren Leben auszahlen, da der Rauchstopp das Demenzrisiko verringert. 
  • Alle Kinder sollten eine Schulbildung erhalten. Bildung gilt als einer der “Schlüsselfaktoren” in Bezug auf Demenz: Durch sie entwickeln Menschen die geistigen Reserven, die eine mögliche spätere Erkrankung hinauszögern und den Umgang damit erleichtern können.  
  • Übergewicht reduzieren.Damit sinkt auch das Diabetes-Risiko.
  • Menschen sollten spätestens ab der Lebensmitte körperlich aktiv werden und es möglichst lange bleiben.

Ganzheitliche und individuelle Betreuung notwendig

Neben den Ratschlägen zur Vorbeugung von Demenzerkrankung formuliert die Expertenkommission auch Empfehlungen zum Umgang mit Menschen, die bereits erkrankt sind. Als oberstes Ziel sehen sie das Wohlbefinden der Betroffenen an. Um dies zu fördern, sei eine ganzheitliche und individuelle Betreuung notwendig, die auch die pflegenden Angehörigen mit einbezieht. Dazu zählen etwa sogenannte psychosoziale Interventionen für Menschen mit Demenz, die ihnen den Umgang mit der Erkrankung im Alltag erleichtern sollen. Sie umfassen in der Regel körperliche, geistige und soziale Aktivitäten, durch die die geistige Leistungsfähigkeit und Selbstständigkeit länger erhalten bleiben soll.

Ein Beispiel für eine solche psychosoziale Intervention ist die MAKS-Therapie, die von Prof. Dr. med. Elmar Gräßel entwickelt wurde, dem Leiter des Zentrums für Medizinische Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Erlangen. In angepasster Form wird sie auch für digiDEM Bayern eingesetzt werden, als digitales Angebot für Menschen mit Demenz. https://www.maks-therapie.de/

Expertenkommission fordert mehr Hilfe für Angehörige

Die Expert*innen des Lancet-Berichts weisen zudem auf die Bedeutung von Unterstützungs-Leistungen für Angehörige hin, da diese häufig gefährdet seien in Bezug auf Depressionen und Angststörungen.Auch hier plant digiDEM Bayern ein entsprechendes Angebot: eine Risiko-Ampel für Angehörige, mit deren Hilfe sich die individuelle Belastung und Handlungsmöglichkeiten ableiten lassen.

Die Experten der Lancet-Kommission hoffen, dass ihr Bericht als Entscheidungshilfe für die Politik und für jeden Einzelnen dienen wird. Sie betonen: “Wenn wir jetzt auf dem Gebiet der Demenzprävention, -intervention und -pflege handeln, wird sich das Leben und Sterben von Menschen mit Demenz und ihren Familien und damit die Gesellschaft erheblich verbessern.”

Hier finden Sie den vollständigen Bericht:
Dementia prevention, intervention, and care: 2020 report of the Lancet Commission (Aug 2020)