Demenzpatient*innen auf dem Land bevorzugen den Besuch in einer hausärztlichen Praxis. Demgegenüber konsultieren Menschen mit Demenz, die in der Stadt leben, häufiger ärztliches Fachpersonal aus den Bereichen Neurologie oder Neuropsychiatrie. Zu diesem Ergebnis kamen Forschende der Universität Bremen, die die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen von 1,7 Million gesetzlich Versicherten analysierten.
Bei unserem Schwerpunktthema über die Versorgung von Menschen mit Demenz im ländlichen Raum ist für Sie, liebe Leserin, lieber Leser, natürlich auch die Studienlage in Deutschland, Österreich und der Schweiz von Interesse. Nur: In diesen Ländern gibt es seit vielen Jahren einen Mangel an zuverlässigen Gesundheitsdaten aus der Bevölkerung und damit nur sehr wenige Studien. Ob es hinsichtlich der Inanspruchnahme ambulanter medizinischer Leistungen von Menschen mit Demenz Unterschiede zwischen Stadt und Land gibt? Damit beschäftigten sich zuletzt Forschende der Universität Bremen in einer Arbeit von 2010. Sie legten dabei den Fokus auf die Situation der Versorgung durch Fachärzt*innen für Neurologie und Psychiatrie.
Die Forschenden rund um Daniela Koller untersuchten, inwiefern gesetzlich versicherte Menschen mit Demenz ab einem Alter von 65 Jahren im Jahr vor und nach der Demenzdiagnose ambulante medizinische Leistungen nutzen. Als Grundlage dienten unter anderem die Besuche bei allen Ärzt*innen, bei Hausärzt*innen und bei Neurolog*innen und Neuropsychiater*innen.
Deutliche Unterschiede
Der Unterschied zwischen in der Stadt und auf dem Land lebenden Patient*innen war deutlich. Menschen mit Demenz in der Stadt gehen häufiger in eine neurologische oder psychiatrische Praxis; dort kommen auch häufiger bildgebende Diagnoseverfahren zum Einsatz. Demgegenüber konsultieren Menschen mit Demenz im ländlichen Raum häufiger den Hausarzt bzw. die Hausärztin. Im Vergleich mit den Besuchen bei allen Ärzt*innen – also unabhängig von der Spezialisierung – kommen die Autor*innen zu dem Schluss: „Die Menschen, die in städtischen Gebieten leben, suchen mehr verschiedene Ärzt*innen auf als die Menschen, die in ländlichen Gebieten leben.“ Betrachtet man außerdem das Alter, das Geschlecht und ob die Demenzpatient*innen pflegebedürftig sind, so ist die „Wahrscheinlichkeit, einen niedergelassenen Arzt aufzusuchen, in der ländlichen Bevölkerung deutlich geringer als in der Stadt.“
Weite Wege, anderer Lebensstil
Die auf dem Land geringere Inanspruchnahme von Neurolog*innen und Neuropsychiater*innen könnte laut der Studienautor*innen unterschiedliche Gründe haben, zum Beispiel eine zu lange Anreise zum Behandelnden oder fehlende Zeit etwa der Pflegenden, die den Transport nicht begleiten können. In ländlichen Gegenden könne zudem ein anderer Lebensstil und ein stärkerer Gemeinschaftssinn dafür ausschlaggebend sein, lieber auf persönliche Hilfe zu setzen als auf professionelle Konsultationen. Zu berücksichtigen sei auch die soziale Stigmatisierung psychischer Erkrankungen, wenn diese sowohl vom Betroffenen als auch vom Arzt bzw. von der Ärztin nicht angesprochen werden.
Tipp für die Praxis: Zögern Sie nicht, Gedächtniseinbußen bei Ihrem Hausarzt bzw. Ihrer Hausärztin anzusprechen. Machen Sie Verwandte, bei denen Ihnen eine Abnahme der kognitiven Fähigkeiten auffällt, auf dies aufmerksam und unterstützen Sie die Verwandten beim Besuch der hausärztlichen Praxis.
Hier geht’s zur Studie: Ambulatory health services utilization in patients with dementia – Is there an urban-rural difference?