Das Versorgungsprojekt digiDEM Bayern fußt auf zwei Säulen: zum einen werden digitale Unterstützungsangebote entwickelt, zum anderen wird ein Register aufgebaut, das Langzeitdaten von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen erfasst. Professor Dr. med. Peter Kolominsky-Rabas, Leiter des Interdisziplinären Zentrums für Health Technology Assessment und Public Health der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, hat langjährige Erfahrung mit Registerforschung und ist von ihrem Wert überzeugt.
Wie kann man sich ein „Demenzregister“ vorstellen und wozu dient es?
Für das Demenzregister werden wir flächendeckend in allen sieben Regierungsbezirken Bayerns Langzeitdaten zur Versorgung, Pflege und Angebotsnutzung von Menschen mit Demenz sowie zur Belastung pflegender Angehöriger erheben. Die Betroffenen werden mittels standardisierter Fragebögen zu fünf Zeitpunkten befragt, insgesamt über eine Dauer von vier Jahren. So können wir dokumentieren, wie Demenzerkrankungen verlaufen, um die künftige Versorgung besser planen und nachhaltiger sicher stellen zu können. Das Register dient also zunächst der Versorgungsforschung und der Gesundheitspolitik, kommt letztlich aber den Betroffenen selbst zugute. Nur durch langfristige Beobachtungen und Befragungen können wir erkennen, wo und zu welchem Zeitpunkt im Verlauf der Erkrankung es Lücken und Defizite gibt und dort nachbessern.
Aber es gibt doch bereits viele Unterstützungsangebote für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen?
Die gibt es zwar, aber wir haben festgestellt, dass sie in vielen Fällen nicht genutzt werden. Das ist ein Ergebnis einer Vorgänger-Studie von „digiDEM Bayern“, dem „Bayerischen Demenz Survey“, kurz „BayDem“, die von Februar 2015 bis Dezember 2017 in Erlangen, Kronach und Dachau durchgeführt wurde. Sie wurde, ebenso wie digiDEM Bayern, vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gefördert. Für BayDem haben wir rund 700 Menschen mit Demenz und ihre pflegenden Angehörigen befragt. Die Ergebnisse zeigten gravierende Defizite in Bezug auf den Zeitpunkt der Diagnosestellung, die Vermittlung von Informationen über die Krankheit und die Wahrnehmung von Unterstützungsangeboten.
Was heißt das konkret?
Bei mehr als der Hälfte der Befragten dauerte es zum Beispiel nach dem Auftreten der ersten Symptome länger als ein Jahr, bis die Diagnose gestellt wurde. Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung gaben 50 Prozent der Teilnehmenden an, keine Informationen über den Verlauf der Krankheit erhalten zu haben. Und obwohl die befragten Angehörigen sich zu über einem Drittel schwer belastet fühlten, wurde etwa ein ambulanter Pflegedienst nur von rund 36 Prozent der Menschen aus dem ländlichen Raum in Anspruch genommen. Im städtischen Raum waren es sogar nur 27 Prozent. Diese Defizite haben für uns den Anlass für das Projekt digiDEM Bayern gegeben.
(Hier geht es zum BayDem-Abschlussbericht.)
Gibt es schon Demenzregister?
Einen aktuellen Stand der weltweit bereits abgeschlossenen als auch der noch laufenden Register zur Demenz bietet eine Übersicht von Krysinska und Brodaty aus dem Jahr 2017. Die Autoren haben weltweit insgesamt 31 Demenzregister identifiziert. Für die Bundesrepublik Deutschland benennt die Übersichtsarbeit von Krysinska und Brodaty nur ein einziges Demenzregister: unsere Studie BayDem.
Wie kommen Sie an die Studienteilnehmer*innen?
Das versuchen wir stufenweise: Zunächst wenden wir uns an mögliche Kooperationspartner, zum Beispiel Beratungsstellen für Demenz, Pflegedienste, Arztpraxen, Gedächtnisambulanzen und Memory-Kliniken. Also Einrichtungen, in denen die Mitarbeiter*innen regelmäßig Kontakt zu Menschen mit Demenz haben und sie für eine Teilnahme an digiDEM Bayern gewinnen können. Im Falle einer Kooperation werden die Partner von uns für die Interviews und die Arbeit in digiDEM Bayern umfassend geschult und betreut. Zudem gibt eine Aufwandsentschädigung und die Möglichkeit, auf die spezielle Einrichtung zugeschnittene Auswertungen und Berichte von uns zu bekommen. Diese könnten dann für die interne Planung, für Öffentlichkeitsarbeit oder auch für Verhandlungen mit Kostenträgern genutzt werden. Zurzeit suchen wir noch Kooperationspartner und freuen uns über Interessenten.
(Weitere Informationen über eine mögliche Kooperation finden Sie hier.)