Schwierigkeiten bei der Kommunikation, Zweifel bei der Unterscheidung zwischen Schmerzen und Angst sowie Unsicherheiten bei der Verabreichung von Morphin: Diese Herausforderungen machen es Pflegekräften zufolge schwer zu beurteilen, ob Menschen mit Demenz in der letzten Lebensphase unter Schmerzen leiden.
Die Erfahrungen von Pflegekräften in stationären Einrichtungen, die Menschen mit fortgeschrittener Demenz am Lebensende betreuen, stehen im Mittelpunkt einer aktuellen Studie aus Schweden. Emma Lundin und Tove E. Godskesen betonen, dass der Umgang mit Schmerzen bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz oft unzureichend sei. So erhielten die Betroffenen weniger Palliativpflege-Behandlungen als Krebspatienten, also Behandlungen, die speziell auf die letzte Lebensphase zugeschnitten sind. Wichtigstes Ziel ist es dann, Beschwerden zu lindern und eine größtmögliche Lebensqualität zu erreichen.
Keine spezialisierte Palliativversorgung für Menschen mit Demenz
Zwar gibt es in Schweden auch spezialisierte Palliativversorgung für Patient*innen mit besonderen Bedürfnissen. Diese wird den Autor*innen zufolge dann von einem erfahrenen Team aus verschiedenen Fachbereichen durchgeführt, zum Teil auf separaten Palliativstationen. Menschen mit fortgeschrittener Demenz allerdings erhielten am Lebensende eine allgemeine Palliativversorgung in regulären Pflegeheimen, so die Forscher*innen.
Unsicherheiten beim Einsatz von Opioiden
Doch in Pflegeheimen besteht für Menschen mit fortgeschrittener Demenz laut Studien das Risiko, eine unzureichende Schmerz-Behandlung zu erhalten. Zu den Gründen zählen neben Kommunikationsschwierigkeiten auch Unsicherheiten beim Einsatz geeigneter Schmerzbeurteilungs-Instrumente sowie im Umgang mit Opioden. Diese seien in der Regel zwar die erste Wahl zur medikamentösen Linderung von Schmerzen am Lebensende, hätten aber möglicherweise für Menschen mit fortgeschrittener Demenz schädliche Nebenwirkungen.
Bislang gibt es den Autor*innen zufolge nur wenige Studien über die wichtige Rolle von Pflegekräften in stationären Einrichtungen, wenn es darum geht, Schmerzen von Menschen mit fortgeschrittener Demenz am Lebensende einzuschätzen. Die Forscher*innen haben daher genau diese Personengruppe befragt, denn sie müssen entsprechende Entscheidungen treffen, wenn keine Ärzt*innen vor Ort sind.
Befragungen mit Pflegekräften zwischen Februar und April 2018
Dazu führten sie zwischen Februar und April 2018 ausführliche Interviews mit examinierten Pfleger*innen. Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung in Pflegeheimen und der Forderung nach umfassender Erfahrung in der Pflege von Menschen mit fortgeschrittener Demenz und Schmerzen am Lebensende war es für die Forscher*innen schwierig, ausreichend Gesprächspartner*innen zu finden. 13 Pflegekräfte aus 12 Pflegeeinrichtungen in Stockholm, die auf Demenzpflege spezialisiert sind, erklärten sich zu den Interviews bereit. Dabei handelte es sich um zehn Frauen und drei Männer, die durchschnittlich zehn Jahre Erfahrung in der Demenzpflege hatten.
Schmerzbeobachtungs-Skalen wurden nur von einigen verwendet
Die Aussagen der Pflegekräfte konzentrierten sich auf drei Haupt-Bereiche: Sie beschrieben Herausforderungen in der Kommunikation, auf der Beziehungsebene und bei der Organisation.
Da die kommunikativen Fähigkeiten von Menschen mit Demenz sich im Verlauf ihrer Erkrankung zunehmend verschlechtern, fühlten sich viele Pflegende unsicher bei der Schmerzbeurteilung. Noch schwieriger war es, wenn sie die Betroffenen noch nicht gut kannten und das Verhalten daher schlecht einschätzen konnten. Einige der Pflegekräfte verwendeten Instrumente zur Schmerzbeurteilung wie Beobachtungs-Skalen, andere verließen sich stattdessen eher auf ihre Intuition.
Schwierige Unterscheidung zwischen Schmerz und Angst
Zudem hatten die Pflegenden häufig Probleme zu unterscheiden, ob die Patient*innen unter Schmerzen litten oder Angst hatten, da sich beides ähnlich äußern könne. Eine weitere Herausforderung lag in der Abwägung von Nutzen und Risiken bei der Morphinverabreichung. Sie fanden es schwierig, die richtige Dosierung zu bestimmen, um einerseits eine ausreichende Schmerzlinderung zu erzielen und andererseits eine Atemdepression zu verhindern, die sich in Kurzatmigkeit und Luftnot äußern kann. Hier spielte auch das Verhalten der Angehörigen eine wichtige Rolle, die den Aussagen zufolge oft unsicher oder sogar ängstlich gegenüber Morphin waren. Die Einstellung der Angehörigen gegenüber Morphin wurde oft als das komplizierteste Problem in Bezug auf die Schmerzmedikation genannt und verursachte oft Stress.
Unterstützung durch die Angehörigen wichtig
Insgesamt jedoch schätzten die Pflegekräfte die Unterstützung durch die Angehörigen. Diese könnten den Umgang mit Schmerzen bei den Betroffenen stark beeinflussen, sowohl durch ihre Fähigkeit, das Schmerzverhalten zu deuten, als auch durch das Hinterfragen der Pflege.
Autor*innen plädieren für den Einsatz spezialisierter Pflegekräfte
Die Autor*innen halten es für notwendig, in Pflegeheimen spezialisierte Pflegekräfte zu beschäftigen, die geschult sind, um mit den Herausforderungen der Pflege am Lebensende für Menschen mit fortgeschrittener Demenz und Schmerzen umzugehen. Darüber hinaus sollten Ressourcen und Strategien zur Verfügung stehen, um Angehörige zu informieren und in den Entscheidungsprozess einzubeziehen, da sie oft nicht mit der Vielzahl von Überlegungen vertraut sind, die etwa mit Entscheidungen wie der Verabreichung von Morphin verbunden sind.
Hier finden Sie die Studie:
End-of-life care for people with advanced dementia and pain: a qualitative study in Swedish nursing homes (März 2021)