Fettleibigkeit im mittleren Lebensalter erhöht bei Frauen das Risiko, später an einer Demenz zu erkranken. Mangelernährung und zu wenig Bewegung hatten dagegen keine langfristigen Auswirkungen. Das hat eine britische Langzeit-Studie gezeigt.
Das Forscherteam um Sarah Floud von der Oxford-Universität wollte mit seiner Untersuchung auch Widersprüche klären, die sich aus vergangenen Studien ergeben haben. So zeigten einige Studien einen Zusammenhang zwischen einem niedrigem Body Mass Index (BMI) – also Untergewicht – und dem Demenzrisiko. Andere Untersuchungen ergaben, dass zu wenig Bewegung und mangelhafte Ernährung das Demenzrisiko steigern.
Allerdings, so die Autor*innen der aktuellen Studie, könnten die genannten Punkte auch die Folge einer beginnenden Demenzerkrankung sein – und nicht die Ursache. Sie erläutern, dass bei Menschen, die an Demenz erkrankt sind, die Wahrnehmung früh zu verändern beginnt – in der Regel bereits zehn Jahre bevor eine formale Diagnose gestellt wird. Während dieser Phase könne der Zustand der Betroffenen bereits langsam aber stetig das Verhalten beeinflussen, etwa die geistige und körperliche Beweglichkeit beeinträchtigen und dazu führen, dass Betroffene weniger essen und dadurch an Gewicht verlieren.
Ursache einer beginnenden Demenz – oder die Folge?
Aufgrund der widersprüchlichen Studienlage wollten Sarah Flood und ihr Team zwei Fragen untersuchen: Ist Fettleibigkeit im mittleren Lebensalter eine Ursache für Demenz? Und: Sind ein niedriger BMI, eine niedrige Kalorienaufnahme und zu wenig Bewegung ebenfalls Ursachen oder lediglich Folgen einer beginnenden Demenz?
Dazu analysierten die Forscher*innen die Daten von 1.136.846 Frauen in Großbritannien. Sie waren durchschnittlich 56 Jahre alt und zu Beginn der Studie – zwischen 1996 und 2001 – noch nicht an Demenz erkrankt. Die Proband*innen der “Million Women Study” machten Angaben zu ihrer Größe, ihrem Gewicht sowie zur täglichen Kalorienaufnahme und körperlichen Bewegung. Diejenigen, die seltener als einmal pro Woche Sport trieben, wurden als “inaktiv” eingestuft, alle anderen als “aktiv”. Beim BMI legten die Autor*innen folgende Werte fest: Ein BMI unter 20 galt als untergewichtig, einer von 20 bis 24,9 als empfehlenswert, einer von 25 bis 29,9 als übergewichtig und einer ab 30 als fettleibig. Durch Zugang zu den Daten des staatlichen Gesundheitssystems konnten die Forscher*innen ihre Entwicklung bis 2017 weiterverfolgen. Auch Informationen über Krankenhauseinweisungen aufgrund von Demenz waren im System enthalten. Die Autor*innen setzten diese mit den Angaben der Frauen zu den beschriebenen Punkten – Größe, Gewicht, Kalorienaufnahme und körperliche Bewegung – in Beziehung.
Erhöhtes Demenzrisiko bei Fettleibigkeit im mittleren Alter
Bei 89 Prozent der Teilnehmerinnen gab es während des Studienzeitraums in den Akten keinen Hinweis auf eine Demenz. 15 Jahre nach Studienbeginn hatten 18.695 von ihnen eine Demenzdiagnose erhalten, in einem durchschnittlichen Alter von 77 Jahren. Die Ergebnisse weisen auf ein erhöhtes Demenzrisiko bei Fettleibigkeit im mittleren Alter hin: Bei Frauen, die zu Beginn der Studie an Fettleibigkeit litten, war die Wahrscheinlichkeit, eine Demenz zu entwickeln, um 21 Prozent höher als bei Frauen, die einen „empfehlenswerten“ BMI hatten. So erkrankten 2,2 Prozent der betroffenen Frauen langfristig an Demenz, verglichen mit 1,7 Prozent der Frauen mit einem empfehlenswerten BMI.
In Bezug auf die anderen Faktoren und die zweite Frage der Studie war der Zeitverlauf interessant: Die Berechnungen zeigten zwar, dass eine niedrige Kalorienzufuhr und wenig Bewegung mit einem erhöhten Demenzrisiko zusammenhängen – allerdings nur während des ersten Jahrzehnts der Studie. Danach schwächte sich der Zusammenhang allmählich immer weiter ab und näherte sich schließlich dem Nullpunkt. Autor*innen dieser und auch anderer Studien gehen davon aus, dass dieser kurzfristige Zusammenhang die Folge einer präklinischen Demenz ist. Dabei handelt es sich um die sehr frühe Phase der Erkrankung, in der noch keine oder allenfalls sehr leichte geistige Beeinträchtigungen erkennbar sind.
Die vollständige Studie finden Sie hier:
Body mass index, diet, physical inactivity, and the incidence of dementia in 1 million UK women (Dez 2019)